„Lieder ohne Leiden“

Ja, fast hat man das Gefühl eines Comebacks:
Christiane Rösinger ist zurück!

Dabei liegt ihr Debütsoloalbum „Songs Of L. And Hate“ gerade mal sechs Jahre zurück. Und es ist ja nicht so, als sei die Musikerin und Autorin in der Zwischenzeit komplett von der Bildfläche verschwunden. Zwei Bücher sind in der Zwischenzeit erschienen („Liebe wird oft überbewertet“, und „Berlin-Baku“), Hörbücher wurden aufgenommen, es wurde ausgiebig getourt, die monatliche Flittchenbar kuratiert, durch den Kiez flaniert und der eigene Garten bestellt. Nun also endlich das zweite Solo-Album mit neuen Liedern aus der Feder von Christiane Rösinger, instrumentiert, aufgenommen und produziert von Andreas Spechtl. Ging es auf dem Vorgänger-Album und seinem Titel mit dem Buchstaben „L“ vor allem um die Liebe, dreht sich nun alles um das Leiden. Wobei Liebe und Leid ja oft genug eng beieinander im Bett der Pärchenlüge liegen. Aber Moment mal: „Lieder ohne Leiden“? Christiane Rösinger und Lieder ohne Leiden?! Wie soll das nur gehen?!

Wer den Titelsong hört wird schnell feststellen: Gar nicht. Es bleibt ein Wunsch. Der Wunsch einer sensiblen Künstlerin, eben nicht schon wieder leiden zu müssen, um daraus ein wundenleckendes Lied zu machen. Aber schon gleich im Album-Opener „Kleines Lied zum Anfang“ verrät uns Frau Rösinger ihr bewehrtes Erfolgsrezept: Sie ist nun mal ein melancholischer undmusikalischer Charakter. Und zwangsläufig entstehen so neue Lieder.

Der Sound des Albums ist dabei aber opulenter und farbenfroher geraten, als die zum Teil noch bedrückendere Film Noir-Stimmung auf „Songs Of L. And Hate“. Die Musik von 60ies Girl-Groups à la Shangri-Las, aber auch die Musik der Beach Boys und Burt Bacharach galten Andreas Spechtl als Vorbild für den Klangteppich auf „Lieder ohne Leiden“.

Im Gentrifizierungs-Stampfer „Eigentumswohnung“ hat man fast das Gefühl, die alten Lassie Singers wieder zu hören, die ja auch immer viel 60ies-Bubblegum in ihre Musik zu injizieren wussten.

Inhaltlich ist „Lieder Ohne Leiden“ bei aller für Christiane Rösinger typischer Lakonie eine messerscharfe Gegenwartsanalyse zwischen dem Leben im Prekariat und der Rendite der Generation Erben. Und dem gedanklichen Raum dazwischen, in dem auch schon mal der „stumpfen Arbeit“ ein Lob ausgesprochen wird, um sich vom narzisstisch-gestörten Kreativzwang unserer Zeit zu befreien.
Am Ende aber halten alle Lieder – wie schon in Heinrich von Kleists Reflexion über die Steine im Rundbogen – fest zusammen. Das Gebäude steht, weil alle Steine gleichzeitig einstürzen wollen. Bei Kleist Grund für eine epistemologische Beunruhigung. Bei Rösinger werden wunderschöne Lieder draus. Und es bleibt ein tröstlicher Gedanke: Wenn alles niederzustürzen droht, stürzt womöglich nichts darnieder: „Dass auch ich mich halten würde, wenn alles mich sinken lässt“, singt sie im Abschlussstück „Das gewölbte Tor“. Leiden dürfen wir trotzdem.

 

 

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Lieder ohne Leiden heißt das zweite, von Ja Paniks Andreas Spechtl produzierte Album von Christiane Rösinger.

Es ist am 24. Februar bei Staatsakt erschienen.